Inci Strauss

Branchenexpertin für die Kultur- und Kreativwirtschaft

Lesedauer: ca. 7 Minuten

 

Kreativität und die Pflege persönlicher Netzwerke sind unabdingbare Bestandteile zukünftigen beruflichen Erfolgs. Dieser Satz ist so oder vielleicht noch langweiliger formuliert nahezu täglich in tausenden von Newslettern, FB- und XING-Posts sogenannter Fachexperten zu lesen.

Darüber zu schreiben traue ich ja einer Menge Menschen zu und die liefern den Beweis auch über die Fülle an Artikeln. Meine Überzeugung ist aber, dass für gutes "Networking" nett gemeinte Tipps und Ratgeber nur bedingt helfen. Wichtig ist ein offenes Gemüt und ein Herz am rechten Fleck.

Inci Strauss hat beides davon! Trifft man die junge Oberfränkin in ihrem Zuhause am Nürnberger Friedrich-Ebert-Platz auf eine Tasse Kaffe, dann erhält man einen Einblick in die Dinge, die ein normales Netzwerk zu einem guten werden lassen. Ein Auge für Neues und ein Interesse für Vieles gehören genauso dazu, wie eine gehörige Brise Empathie. Und damit ist nicht allein gemeint den eigenen Freund geduldig an der Play Station spielen zu lassen, wenn Besuch an der Tür klingelt. Ach ja! Und Disziplin kann sie auch! 🙂

Du bist ausgebildete Verwaltungsfachangestellte im kommunalen Dienst. Das klingt nach angestaubten Akten, viel Papier und wenig kreativen Menschen, die nach einer Stempeluhr arbeiten. Erkläre mir doch mal bitte in aller Ruhe wie man dann den Weg in die Kreativwirtschaft findet.

Das ist eigentlich ziemlich verrückt! Ich halte meinen Weg aber für genau den richtigen. Ich konnte sehr viele  unterschiedliche Eindrücke sammeln. Aber mal ganz von vorn. Ich habe mit 17 eine Lehre zur Verwaltungsfachangestellten begonnen. Warum? Weil man halt eine Ausbildung nach der Realschule macht. Ich habe mir damals fest eingebildet bei der Stadtverwaltung so richtig was bewegen zu können und ganz vielen Bürgerinnen und Bürgern zu helfen. Sicherlich kann man auch einiges in einer Verwaltung bewegen - aber man braucht sehr, sehr viel Zeit und Geduld. Nach der Lehre habe ich also das Abitur nachgeholt und etwas Kreatives studiert - etwas mit Medien ... Medieninformatik! Ein Job mit Zukunft! 😉

Der kreative Teil war ganz cool, aber das Programmieren lag mir nicht ganz. Abgebrochen und neuorientiert! Was mir aber lag war unternehmerisches und kaufmännischen Denken. Und so stand ich vor der Herausforderung ein sehr trockenes BWL-Studium für mich ansprechend zu gestalten. Mit den Schwerpunkten Marketing und Gründungsmanagement, sowie meinem eigenen Unternehmen gelang mir das auch. So kam ich dann auch zu meinem Thema "Kultur- und Kreativwirtschaft".

Auch heute habe ich nicht nur mit Kreativunternehmen, sondern auch noch sehr viel mit der öffentlichen Verwaltung zu tun. Die gesammelten Erfahrung aus Verwaltung, Wirtschaft und Selbständigkeit sind mir daher sehr viel wert.

 

Was steckt denn hinter dem Begriff Kreativwirtschaft? Damit sind ja nicht eigenwillige Methoden gemeint, wie man in etablierten industriell geprägten Branchen an Geld kommt. Oder etwa doch? Was und wer ist damit gemeint?

Das werde ich ziemlich häufig gefragt. Nein, es steht dahinter keine Methode, kein Geheimrezept oder eine Münzpresse für die Industrie. Hinter dem Begriff Kultur- und Kreativwirtschaft steht eine eigenständige Wirtschaftsbranche, die aus mehreren Teilmärkten besteht. Dazu gehören der Kunstmarkt, Buchmarkt, Filmwirtschaft, Musikwirtschaft, Rundfunk- und Pressemarkt, Software- und Gamesindustrie, Werbewirtschaft, Designwirtschaft, Architektur und die darstellende Künste.

Für mich ist relevant, dass die Unternehmen, egal wie klein sie teilweise sein mögen, als Wirtschaftskraft ernstgenommen werden. 97% aller Unternehmen in der Branche sind Kleinstunternehmen, Soloselbständige oder Freiberufler. Trotzdem tragen sie sehr viel zu unserem wirtschaftlichen Ökosystem bei. Nicht nur das sie in Deutschland mehr als 64,00 Mrd.€ zur Bruttowertschöpfung beitragen (das ist mehr als z.B. die Chemische Industrie oder die Energieversorger) sie ist auch wichtiger Impulsgeber für kreative und innovative Ideen. Und davon können wir hier in Deutschland einige gebrauchen.

 

Durch deine Beratungstätigkeit triffst du "kreative" Unternehmer in ganz Bayern. Deine Homebase ist aber Nürnberg. Du bist gern gesehener Gast bei allen einschlägigen Netzwerkplattformen der Szene, z.B. dem Creative Monday. Man hat den Eindruck du würdest nahezu jeden der anderen Teilnehmer dort persönlich kennen. Warum sind deiner Meinung nach Netzwerke so wichtig?

Das war nicht immer so. Als ich 2014 nach Nürnberg kam kannte ich niemanden. Wirklich niemanden! Mein gesamtes Netzwerk war in Oberfranken angesiedelt. Ich hatte es als Selbständige für mein Unternehmen aufgebaut. Es war für mich wahnsinnig wichtig.

Ich hatte mit meiner Schwester damals ein kleines Modelabel betrieben. Wir haben das parallel zu unserem Studium und Ausbildung hochgezogen. Wir hatten kein Geld aber zumindest Zeit und Spaß daran Kontakte zu knüpfen. Daraus resultierten Aufträge, Presseartikel, Modeschauen und ein paar tolle Kooperationen. Wir haben uns  gegenseitig unterstützt und untereinander geholfen. In einem "guten" Netzwerk hat man einfach mehr Möglichkeiten als alleine.

 

Viele Menschen haben Schwierigkeiten Netzwerke aufzubauen und zu pflegen. Dafür gibt es unterschiedlichste Gründe. Wie gehst du persönlich dabei vor?

Das kann ich absolut verstehen. Es ist ja auch irgendwie komisch einfach fremde Leute anzuquatschen. Was soll man da eigentlich sagen?

Mein Tipp: Nicht einfach wahllos Leute ansprechen. Mir hat es immer geholfen meinen Gegenüber einordnen zu können und ein gemeinsames Gesprächsthema zu finden. Ich habe mir zum Beispiel Empfehlungen von Kollegen geholt. Die konnten mir sehr genau sagen wer in welchen Bereichen unterwegs ist. Xing und Facebook verraten auch einiges. 

Es ist dann einfacher zu sagen: "Hi, ich wollte dich mal auf dies oder das ansprechen. Ich finde das sehr interessant. Wie lang machst du das eigentlich schon?" Im Normalfall bekommt man dann die Rückfrage "und was machst du eigentlich?". Und zack - bist du mitten im Gespräch!

 

Welche Rolle spielen soziale Medien für deinen Job, aber auch für dich selbst?

Soziale Medien sind für mich essentiell um Kontakt mit Klienten, Kollegen, Partner aber auch Freunden zu halten. Ich kann dort meine Arbeit sichtbar machen und die Vielfältig der Branche aufzeigen. Ein weiterer wichtiger Aspekt für mich sind Informationen.

Ich bin in ziemlich vielen Gruppen eingebunden und ich glaube der Facebook-Algorithmus kennt mich sehr gut! 😉 Über meinen Feed laufen Berichte anderer Einrichtungen, aktueller Wettbewerbe, Veranstaltungen und Neuigkeiten aus der Branche. Diese kann ich dann schnell weitergeben.

 

Trennst du berufliche und private Verbindungen?

Es gab Zeiten da habe ich um 22.00 Uhr noch beruflich telefoniert oder Termine ausgemacht. Ich war auch am Wochenende viel unterwegs. Das mache ich heute nicht mehr so intensiv. Auf Dauer ist das einfach nicht gut. Daher trenne ich mittlerweile Handynummer und Email-Adresse in beruflich und privat

In den sozialen Medien gibt es aber keine Trennung dieser Bereiche.

 

Das scheint bei zunehmender Digitalisierung unseres gesamten Lebens nicht mehr möglich zu sein. Alles verschwimmt, oder?

Wir leben in einem digitalen Zeitalter. Selbst meine Eltern sind mittlerweile auf Facebook, Instagram und WhatsApp unterwegs. Das heißt von uns existiert auch eine digitale Person. Diese wird von uns gestaltet. In den meisten Fällen zeigt sie die schönen und tollen Seiten von uns. Ich kenne einige Menschen die versuchen zwei unterschiedliche Personen zu gestalten. Die private Person und die berufliche. Für mich persönlich wär´s zu anstrengend.

Ich besitze keinen Avatar oder sowas. Als digitale Person existiere ich genauso wie in der analogen Welt nur einmal als Inci Strauss!

 

Lass uns mal einen Blick in deine Trickkiste werfen und so tun, als sei ich ein „kleiner“ Liedermacher aus Nürnberg, dessen Einnahmen etwas ausbaufähig erscheinen. Von der Digitalisierung und von Disruption habe ich noch nie etwas gehört! Wie gehst du ein mögliches Beratungsgespräch an und mit welchen Methoden arbeitest du?

Ich geh jetzt mal davon aus, dass der Musiker schon mitbekommen hat das wir seit einigen Jahren in einer Welt leben, in der man mit PCs arbeitet und es sowas wie Internet, Email und Smartphones etc. gibt. Ich denke eher der Musiker hat in deinem Fall wohl eher eine ablehnende Haltung demgegenüber oder er ist sich unsicher. Das respektiere ich auch so und würde im Gespräch herausfinden wollen woher diese Haltung kommt.

Grundsätzlich vermittle ich nicht lehrbuchartig Wissen und ich versuche auch nicht vermeintliche Erfolgsrezepte zu verkaufen.
Ich gebe Hilfe zur Selbsthilfe und versuche im gemeinsamen Gespräch zu ergründen woran es hapert, was die Hindernisse sind um dann gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Weiterhin ist es mir wichtig den Erkenntnisprozess anzuregen, dass jede selbstständige Tätigkeit auch eine gewisse unternehmerische Haltung voraussetzt und man auch als Künstler nicht nur von Applaus und Anerkennung allein leben kann.

Die sehr individuellen Beratungsgespräche setzen gegenseitiges Vertrauen voraus. Diese Basis in kürzester Zeit aufzubauen ist meine persönliche Herausforderung. Beratungsmethoden z.B. aus der systemischen Beratung sind  hilfreich, aber am wichtigsten ist Fingerspitzengefühl und Erfahrung.

 

Einem Kreativen zu raten, dass er endlich eine ordentliche Website aufbauen soll um Reichweite zu gewinnen und vielleicht über E-Commerce nachdenken könnte, sind ja keine neuen Erkenntnisse. Diese allein würden in Zeiten von iTunes, etsy und Co. auch noch lange nicht wirtschaftliches Überleben sichern. Wohin geht die Reise und was sind die Trends in der Kreativbranche?

Bei elf Teilmärkten gibt es natürlich jede Menge Trends in den einzelnen Branchen. Das Gute ist, meistens sind die Kreativschaffenden gut informiert und gestalten die Trends sogar selbst mit.

Trotzdem hat die Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrer Gesamtheit einige große Themen und Herausforderungen. Die von dir angesprochene Digitalisierung und die damit verbundenen Urheberrechtsfragen gehören hierzu, aber auch Themen wie Internationalisierung, Cross-Innovation, Finanzierung, neue Arbeitswelten usw. Wir haben also noch einiges zu tun.

 

Eine letzte Frage habe ich noch. Du betreibst mit Deinem Mann Alexander Strauss einen eigenen Blog auf innovation-track.com. Ihr schreibt aus unterschiedlichen Perspektiven über Veränderung und Transformation. Warum habt ihr damit begonnen?

Wir bloggen auf Innovation-Track, weil uns einfach an einem Sonntagnachmittag langweilig war - weil wir gemeinsam etwas ausprobieren wollten und wir uns auch außerhalb unserer Arbeit mit spannenden Themen beschäftigen. 🙂

Und davon gibt´s einige. Vielen Dank für Deine Zeit!