Robert Puchalla

Consulting Director

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Nürnberg hat schon immer ziemlich coole Männer auf dem Tablett serviert. Martin Behaim, den Erfinder des Globus, oder Peter Henlein, welchem man lange die Erfindung der ersten Taschenuhr zuschrieb. Das waren echte Kerle, die sich mit dem Status Quo ihrer Zeit nicht zufrieden gaben.

Haben die beiden Besagten das Zeitliche schon lange gesegnet, so steht mit Robert Puchalla ein quicklebendiger und überaus sympathischer Visionär vor mir. Ausgestattet mit ganz viel Ahnung von Marken, Menschen und Technologien "rockt" Robert mit seinen Kollegen das Business bei arsmedium, einer Marketing-Agentur im Norden der Stadt.

Ich spreche mit ihm über seine Arbeit, seine Sicht auf die Zukunft und über Kühe auf der Straße.

Versuche mal bitte die Digitale Transformation mit deinen Worten in 2 oder 3 Sätzen zu beschreiben. Fällt dir das schwer?

Nö, garnicht. Vielleicht sag ich erst was sie nicht ist und im Anschluss was sie ist. Sie bedeutet nicht einfach die neuesten Tools auszuprobieren, um zu sehen was da passiert! Sie beginnt in den Köpfen der Unternehmen. Sie bringt eine veränderte Einstellung zur Arbeit und zum Geschäftemachen mit sich. Wichtig ist zu verstehen, dass sich sämtliche Märkte durch die Digitalisierung wandeln werden. Schau dir das Kosumentenverhalten an. Jeder hat heutzutage die Chance auf vollständige Information und Kunden können sich untereinander austauschen. Die Unternehmen benötigen ganz andere Herangehensweisen, um potentielle Kunden anzusprechen und abzuholen. Das ist für mich die Transformation! Viele Firmen arbeiten nunmal noch in alten starren Strukturen, ohne eine "strategische Agilität" entwicklen zu können. Strategisch denken, aber im Operativen agil und flexibel handeln. Schnell sein! Eine Website beim Aufbau zu hundert Prozent durchzudeklinieren - das funktioniert heutzutage nicht mehr. Die digitale Transformation ist ein Mindshift in den Köpfen der Menschen.

Du scheinst jemand zu sein, der schon immer den Kunden in den Fokus genommen und sich immer genau angesehen hat was dieser wann und wie tut?

Mit dieser Denkweise war ich schon immer recht erfolgreich. Die Menschen dahinter zu sehen hat für mich immer funktioniert. Was sich wirklich verändert hat ist die Tatsache, dass ich nicht mehr allein über den persönlichen Kontakt die nötigen Informationen über den Kunden erhalte, sondern im Rahmen der zunehmenden digitalen Möglichkeiten "tracken" kann. Das ist mehr als nur eine Ergänzung! Ich fand´s lustig auf der vergangenen DMEXCO in jeder Ecke den Schriftzug "Customer Centricity" zu lesen. Wenn wir erst jetzt auf die Idee kommen den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, dann ist das ein wenig spät. Ich muss denjenigen mit dem ich zusammen arbeiten möchte immer in den Mittelpunkt stellen, um seinen Bedürfnissen optimal gerecht werden zu können. Mit digitalen Werkzeugen kann ich das bis auf den Endkunden herunterbrechen. Das ist eine riesen Chance!

Was du beschreibst hat viel mit Datenstrukturen-, mengen und der Analyse von Daten zu tun. Informationen über Kunden und deren Verhalten gab es ja immer, aber nun werden diese verstärkt gesammelt um neue Geschäftsmodelle zu generieren und Kunden gezielter anzusprechen. Für viele Unternehmen stellt das eine große Hürde dar. Wie stehst du dazu? Wie kann man diesem Gefühl begegnen?

Naja, ich glaube es besteht eine gewisser Respekt vor dem "richtigen" Auslesen der Informationen. Ich muss Daten erstmal richtig lesen, um passende Rückschlüsse ziehen zu können. Wir besitzen in Europa eine Scheu vor dem Risiko. Wir haben zu viel Angst vor Fehlern! Aber warum? Warum nicht beispielsweise bei der Analyse von Daten mit kleinen Zielgruppen beginnen und sehen wie´s funktioniert und was man damit alles erreichen kann. Wir können doch wunderbare Handlungsempfehlungen daraus ableiten. Ein anderes Problem sehe ich noch im Bestand alter IT-Lösungen in den Unternehmen. Die Einführung von schmalen und agilen Systemen ist vielen Unternehmern noch ein Dorn im Auge, weil sie Respekt vor dem Invest haben. Grundsätzlich: "Data is the new oil!", d.h. datengetriebenes Marketing und die auf dem persönlichen Verhalten der Menschen basierende gezielte Ansprache ist schlichtweg die Zukunft. Die Unternehmen müssen aber selbst herausfinden was genau zu ihnen und ihrer Marke passt. Es ist keine einfache Aufgabe, ganz klar. Die Unternehmen brauchen mehr Mut um aus den gewonnenen Daten Hypothesen zu erstellen und Prototypen zu testen. Ich kann mir im Vorfeld viele Gedanken über das Verhalten meiner Kunden machen. Am Ende verhält er sich aber vielleicht doch ganz anders.

Damit rückst du dem Kunden aber ganz schön auf die Pelle!

Ja!

Was macht dich optimistisch, dass er es mitmacht?

Hm, ihm bleibt nix anderes übrig. Also aus Unternehmersicht behaupte ich: "Wer die digitale Transformation nicht mitmacht, der wird nicht überleben!" Airbnb z.B. wirbelt mit seiner datenbasierten Plattform die Hotelbranche durcheinander. Die müssen sich nun überlegen wie sie darauf reagieren. Zukunftsorientierte  Firmen denken strategisch und agil zeitgleich. Aber erkläre mal einem alteingesessenen Player wie das geht und was Agilität im operativen Bereich bedeutet. Dazu sind viele Unternehmen noch viel zu sehr an reinen Verkaufszahlen orientiert. Wenn ich strategisch denke, dann nehme ich auch mal in Kauf nicht zu wachsen, sondern entwickle am Kunden orientierte Maßnahmen, die mir dann später vielleicht noch höhere Renditen einbringen.

Du hast ja selbst mal BWL studiert. Dann wirst du sagen können, dass das nicht Teil der Lehre in Deutschland ist.

Da stimme ich dir zu. Diese Denke ist weder in den Lehrstühlen, noch in den Firmen etabliert. Aber über die Ausbildung brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Die ist schon lange nicht mehr zeitgemäß. Die Schüler und Studenten werden seit Jahren nicht mehr auf die wirklichen Herausforderungen vorbereitet. Daher finde ich es sehr gut was ihr an der Shiftschool macht und dass ihr die Dinge einfach über den Haufen werft. Ich bin selbst Dozent an der Georg-Simon-Ohm Hochschule. Ich versuche dort viele Themen voranzubringen und zu pushen. Es gilt jetzt noch die Zeit zu überbrücken, bis die sogenannten Digital Natives in höhere Positionen der Unternehmen vorrücken. Das wird Effekte haben. Davon bin ich überzeugt!

Um gut beraten zu können musst du der Zeit eigentlich immer ein Stück voraus sein. Was tust du selbst dafür um an Infos zu kommen, die für alle anderen noch nicht greifbar sind?

Die wichtigste Fähigkeit ist dem Kunden die neue Information übersetzen zu können, d.h. ihm zu erklären welche Konsequenzen etwa neue Technologien für ihn haben. Wir führen viele Workshops durch und besuchen selbst Vorträge. Dazu haben wir intern einen Think Tank mit unseren Leuten etabliert. So viel bin ich persönlich der Zeit garnicht voraus. Das Team macht´s aus!

Thema KI! Da rauscht viel durch den Blätterwald. Jeder spricht darüber und keiner weiß was hinter dem Begriff wirklich steckt. Vieles wird als künstliche Intelligenz bezeichnet und wird im Nachgang von Fachleuten enttarnt. Dennoch ist wirkliche KI bereits heute in der Lage in kreative Branchen vorzudringen und dort auch von einst von Menschen durchgeführte Tätigkeiten auszuführen. KI schreibt Bücher, KI macht Musik! Kannst du dir vorstellen, dass sie eine Rolle z.B. im Dialog-Marketing übernimmt?

Das ist durchaus möglich. Beim Event "Year of the Monkey" habe ich einen guten Vortrag von IBM hinsichtlich WATSON verfolgen dürfen. Dort war klar herauszuhören, dass es immer eine Interaktion zwischen Mensch und Maschine geben wird. Ich glaube persönlich nicht, dass Maschinen in den kommenden 20 oder 30 Jahren menschliche Entscheidungen treffen können. Wir wissen über uns selbst ja noch viel zu wenig, um es dann einem Computer beibringen zu können. Noch treffen Rechner rationale Entscheidungen und wenn es um Emotionalität geht, dann bedarf es eines Menschen. Die künstliche Intelligenz wird sich weiterentwickeln, der Mensch aber sicher auch. Ersetzen wird uns KI nicht!

Was müssen Menschen deiner Meinung nach in Zukunft können?

Eine interessante Frage. Sie müssen in Netzwerken denken und über den Tellerrand sehen können. Sie müssen die dahinter stehenden Technologien versuchen zu verstehen. Einerseits sollten sich Menschen weiterhin spezialisieren, aber andererseits den Überblick über das Große und Ganze versuchen zu behalten. Zwischen Wichtigem und Irrelevantem zu entscheiden wird eine weitere wichtige Fähigkeit sein. Filtern können!

Du sprichst die Spezialisierung von Arbeitskräften an. Die zunehmende Automatisierung in der Industrie, die Robotik oder auch das Internet of Things werden vermutlich einem größeren Teil von Arbeitnehmern zukünftig die Beschäftigung streitig machen. Was passiert mit Menschen, denen durch Technik die Lebensgrundlage genommen wird?

Die Menschen müssen so früh wie möglich darauf vorbereitet werden. Das geht für mich bereits in der Grundschule los. Die Kinder bereits dort mit den richtigen Inhalten zu versorgen ist eine Kernaufgabe. Aber im Moment fehlt die Basis. Die soziale Gemeinschaft wird auf die Probe gestellt werden. Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam nach Lösungen suchen.

Das bedeutet die Digitalisierung erzeugt viele Verlierer und wenige Gewinner?

Ich würde es anders formulieren. Vielleicht hält es sich die Waage, wenn gut ausgebildete junge Leute nachrücken können. Aber ja, alle großen Umschwünge haben Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Die Frage ist wie ausgeprägt die beiden Seiten diesmal sein werden. Das ist schwer zu sagen und kaum abschätzbar. Mit dem Modell des bedingungslosen Grundeinkommens sollten wir uns  aber befassen. In der Schweiz wurde es leider nicht umgesetzt, denn der Versuch hätte wichtige Erkenntnisse für uns gebracht.

Die Digitalisierung erfordert von uns allen ein erhöhtes Tempo und viel Flexibilität. Das kann schon mal überfordern. Was macht der Privatmann Robert Puchalla um dem entgegenzuwirken?

Bei mir ist der wichtigste Ausgleich tatsächlich die Familie. Vor ein paar Jahren konnte ich mir garnicht vorstellen eigene Kinder zu haben. Jetzt ist es so und ich kann darin wunderbar abschalten. Das ist auch mal Stress, aber ein ganz anderer. Viel pragmatischer und emotionaler. Ich bekomme da super den Kopf frei. Dazu betreibe ich viel Sport, gehe gerne laufen.

Kannst du dein iPhone mal weglegen?

Selten! Meine Frau sagt auch immer, dass ich´s doch ab und an abschalten soll. Das ist aber eine persönliche Sache. Wenn ich es über ein paar Tage nicht bei mir habe, dann häuft sich einfach zu viel an. Ich denke aber die Balance aus Freizeit und Arbeit ganz gut hinzubekommen, auch wenn meine Frau vielleicht anderer Meinung ist. Mir kommen halt viele gute Ideen für die Arbeit während der Freizeit. Ist das nun Arbeit oder Freizeit?

Gute Frage!

Ich achte aber auch sehr wohl darauf für was ich wieviel Zeit aufbringe. Ich werde mein iPhone aber nie weglegen können.

Du bist kein gebürtiger Nürnberger, Robert. Du bist ein "Neigschmeckter"! Erzähl mal was über dich. Wo kommst du her?

Ich bin in Kattowitz geboren. Das ist so die schwärzeste Ecke in Polen, geprägt vom Kohleabbau und der Industrie. Mit 13 Jahren bin ich dann mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen. Ich bin im beschaulichen Dörfchen Seeg im Allgäu gelandet, ein absolutes Kontrastprogramm. Bergpanorama! 16 km von der österreichischen Grenze entfernt. Ich kann mich noch an unsere Ankunft nachts und den ersten Morgen erinnern. Nach dem Aufstehen hab ich aus dem Fenster gesehen und auf der Straße liefen Kühe. Ich habe mir gedacht: "Wow! Wo bin ich denn hier?" Das Allgäu habe ich wirklich lieben gelernt. Die Eltern meiner Frau und von mir leben noch dort. Wir fahren noch oft dorthin. Naja, nach dem Abi hatte ich die Möglichkeit etwas in Richtung Design zu machen, oder eben BWL mit Schwerpunkt Marketing in Coburg zu studieren. Nach 2 Jahren dort wollten meine Frau und ich was anderes sehen und sind nach Nürnberg gezogen. Wir wollten in Bayern bleiben, aber nicht zu nahe an der südlichen Heimat. Da kamen nur Würzburg und Nürnberg infrage. In meinen Augen ist Nürnberg eine hoch attraktive Stadt. Alles was ich schätze ist hier kompakt zusammen. Ich liebe die fränkische Mentalität und ihre Direktheit. Hier habe ich auch mein Studium abgeschlossen und begonnen zu arbeiten. Nach zwei Agenturgründungen bin ich aus der Selbständigkeit ausgestiegen, auch im Hinblick auf eine geplante Familiengründung. Irgendwann ist mir dann arsmedium über den Weg gelaufen und dort bin ich mittlerweile für das Business Development und die Beratung zuständig.

Beinahe wärst du Designer geworden. Es wirkt so, als könntest du gerade bei arsmedium die Aspekte Digitalisierung, Marketing und Design gut miteinander kombinieren. Du hast bei deinen Projekten einen sehr hohen ästhetischen Anspruch.

Absolut! Das hat sich aber auch dadurch entwickelt, weil ich mit sehr vielen guten Leuten zusammenarbeite, die selbst hohe Ansprüche an Design besitzen. Auch was das Thema Usability angeht. Vieles ist auch vom Markengedanken getrieben, nämlich um die Frage zu beantworten wie eine Marke nach Außen in Erscheinung treten muss. Ich habe durchaus einen kritischen Blick für sowas. Design und Usability müssen zum Kunden passen.

Du bist viel unterwegs. Wie wichtig ist das Reisen für dich?

Überaus wichtig! Für meinen Job ist das ja das A und O. Wir überlegen uns schon Alternativen um das abzumildern. Aber so wie wir als Agentur aufgestellt sind, hängt sehr viel davon ab sich mit den Menschen auch zu treffen. Webex- oder Skype-Sessions sind sicherlich machbar, aber dennoch musst du die Leute sauber abholen und zum Erfolg gehört für mich ein persönliches Treffen. 

Was sind deine nächsten Steps?

Puh, hier (arsmedium) erstmal alt werden. Ich werde mich zwar immer irgendwie bewegen, aber ich glaube hier meinen "Deckel" gefunden zu haben. Ich möchte die Digitalisierung und das Consulting weiter ausbauen. Zusammen mit den Leuten bei uns besteht da noch viel Potential. Das alles wird mich begleiten. Struktur und Kultur bei arsmedium passen einfach. Ich könnte mir sehr gut vorstellen in Zukunft den Jüngeren gegenüber als Mentor und als Coach aufzutreten, um mein Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben. Das wäre für mich die Erfüllung!

Robert, schönes Schlusswort. Vielen herzlichen Dank für das Gespräch mit dir! 

Klar, immer wieder. Gern geschehen.